Am 9. April 1945, also vor 80 Jahren, wurde Dietrich Bonhoeffer im KZ Flossenbürg grausam hingerichtet. Er gehörte zur Gruppe der Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944. Von April 1943 an saß er im Gestapo Gefängnis Berlin-Tegel ein und wurde immer wieder harten Verhören unterzogen. Er war ein brillanter Theologe und Pfarrer, der gerade im Gefängnis bemerkenswerte Texte z.B. über Gewalt, Krieg und Frieden, Verantwortung und Haltung, Zivilcourage ebenso wie Schuld und Vergebung geschrieben hat. Es beschäftigte ihn, was es heißt, Christ zu sein und wie Menschen von ihrem Glauben und ihrer Hoffnung auf Gott in der damaligen Zeit und in Zukunft reden können.
Dietrich Bonhoeffer hatte den Mut, mitten im Krieg zu überlegen, wie eine Nachkriegsordnung aussehen könnte, was jungen Menschen für die Zukunft mit auf den Weg zu geben und wie ein Leben in Frieden und Gerechtigkeit zu erreichen wäre. Er ging immer von einer Mitverantwortung des Christen für das Gelingen gesellschaftlichen Zusammenlebens aus und hat nie den christlichen Glauben auf eine innerliche Frömmigkeit reduziert. Bonhoeffer selbst schöpfte Kraft aus dem Lesen der Bibel, aus dem Gebet, aus der Musik ebenso wie aus den vielfältigen Erfahrungen mit Familie und Freundinnen und Freunden. Zivilcourage war für ihn selbstverständlich, auch wenn er um die großen Risiken wusste, die sein Engagement für den Widerstand gegen die Nationalsozialisten mit sich brachten. Er öffnete im Gefängnis auch Mitgefangenen und Bewachern einen „Raum“, in dem Zuversicht und Mut erfahrbar waren.
Die Person Dietrich Bonhoeffer kann in ihrer Bedeutung für die Kirche auch gegenwärtig nicht hoch genug eingeschätzt werden und seine Überlegungen zur Verantwortung von Christinnen und Christen im Staat zeigen, wie der Öffentlichkeitsauftrag, den der Loccumer Vertrag von 1955 in seiner Präambel formuliert, konkret bis heute verstanden werden kann. Dankbar haben wir im Rahmen der Jubiläen von 70 Jahre Loccumer Vertrag und 60 Jahre Niedersachsenkonkordat Äußerungen von staatlichen Vertreterinnen und Vertretern wahrgenommen, die diesen Öffentlichkeitsauftrag konstruktiv bejahen. Sie erwarten zu Recht, dass wir gerade in der gegenwärtigen Situation diesem Öffentlichkeitsauftrag in Niedersachsen entsprechen.
Seit meinem Studium beschäftige ich mich mit der Person Dietrich Bonhoeffer und seiner Theologie und darf immer wieder Neues auch in mir schon lange bekannten Texten entdecken. Wenn ich in dieser Woche wieder intensiv Texte von Dietrich Bonhoeffer lese, wird mir deutlich, dass wir als Kirche heute die Aufgabe haben, öffentliche „Räume“ zu gestalten. In diesen Räumen können Menschen gemeinsam und miteinander Mut entwickeln, Kraft zur Zivilcourage gewinnen, um Verständigung mit sehr unterschiedlichen Menschen ringen und Zuversicht schöpfen, die Herausforderungen unserer Zeit anzunehmen und die Zukunft gerade gemeinsam mit jungen Menschen gestalten. In diese Räume laden wir alle Menschen unabhängig von ihrer eigenen Religion oder Weltanschauung ein. Zugleich sind es für uns Räume, die wir aus unserem Glauben und unserer Spiritualität heraus für andere gestalten möchten. Zu diesen öffentlichen Räumen gehört auch der schulische Religionsunterricht, in dem religiöse Bildung vermittelt wird als Einladung, sich kritisch und konstruktiv mit der christlichen Religion, ihrer Haltung, die von der Würde aller Menschen ausgeht und der christlichen Ethik auseinander zu setzen. Die Person Bonhoeffers lädt dazu in besonderem Maße ein und in der Beschäftigung mit ihm können sich neue Denkräume erschließen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine gesegnete Passions- und Osterzeit und lade Sie herzlich ein zum Deutschen Evangelischen Kirchentag in Hannover vom 30. April bis 4. Mai 2025. Unter dem Motto „Mutig. Stark. Beherzt“ gibt es viele sehr unterschiedliche Räume, die sich zu besuchen lohnen.